Ausgejammert

workingmum

Ich bin eine Frau Ende 30, ich habe zwei Kinder (2 und 5), ich habe mal studiert und danach 10 Jahre lang angestellt in der Medienbranche gearbeitet, die meiste Zeit davon in leitender Funktion. Mein Mann hat einen ganz normalen Angestelltenjob mit einem durchschnittlichen ganz normalen Gehalt. Wir arbeiten beide, er Vollzeit, ich auch, aber zeitlich so über Tage und Nächte verteilt, dass es sich eher wie Teilzeit anfühlt, auch von meinem Verdienst her, denn ich bin selbständig, seit ich Kinder habe. Der Kleine geht in die Krippe und bald in den Kindergarten, die Große geht in den Kindergarten und bald in die Schule.

Ich bin also prädestiniert dazu, mich über die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu beklagen, insbesondere für uns Frauen. Zu jammern, wie man uns – teilweise zu Recht – oft vorwirft. Allerdings jammern wir auch manchmal aus gutem Grund, insofern hebt sich das wieder auf, das Jammern und das Jammern über das Jammern.

Ja, ich habe auch gejammert. Gehadert. Mich benachteiligt gefühlt. Mich beschwert. Zunächst, weil man mir nach meiner Rückkehr aus der extra kurz gehaltenen (9 Monate) Elternzeit beim ersten Kind meinen schönen, geliebten Job, den ich in Teilzeit weiterführen wollte, weggenommen hat. Zumindest fühlte es sich damals so an: Ich bekam etwas weggenommen. Aber jetzt, über vier Jahre später, sehe ich ein: Das konnte nicht gutgehen. Dieser Job als Leitung einer Redaktion war einfach nicht geeignet dafür, ihn in Teilzeit auszuüben. Klar, man hätte ihn so hinbiegen können, dass ich auch in Teilzeit die Redaktion hätte führen können. Aber mal ehrlich: Vollzeit ist nicht nur eine Frage der Stundenzahl, die man im Büro bzw. mit dem Job verbringt. Vollzeit ist auch eine Einstellung. Die ich vor den Kindern immer gelebt habe. Mein Job war mehr als Brötchenverdienst, er war zwar nicht mein ganzes Leben, aber ein großer Teil davon. Nicht nur, wenn ich in der Redaktion war, sondern auch, wenn ich woanders war. Und das konnte und wollte ich einfach nicht mehr, als ich Mutter geworden war. Die Prioritäten hatten sich verschoben. Statt immer, selbst beim Kuscheln, Stillen oder Wickeln, an den Job zu denken, dachte ich immer, selbst in Meetings, beim Schreiben und Verhandeln, an mein Kind. Na ja, nicht ganz. Aber Sie wissen, was ich meine: Meine Bereitschaft, mein Wunsch, mein Antrieb, meine Lust, den Job an die erste Stelle zu setzen, war gesunken.

Also, der Job war weg (ich kündigte ihn) und ich machte mich selbständig. Der nächste Grund zum Beschweren war da. Ich merkte nämlich, dass man als Selbständiger in Deutschland in einigen Bereichen benachteiligt wird, vor allem, wenn man keine Firma leitet, sondern ein Einzelunternehmer ist. Ich habe wirklich kämpfen müssen um einen Kindergartenplatz mit angemessener Stundenzahl, und ich rede hier nicht von Krippen für U-3-Jährige – da kämpfte ich genauso wie jede Mutter, ob angestellt, nicht arbeitend oder selbständig. Diese Benachteiligung der Nicht-Angestellten prangere ich nach wie vor an. Deutschland scheint kein Unternehmerland zu sein, und das sollte sich ändern. Das hat aber nur bedingt etwas mit der Mutterschaft zu tun.

Heute, nach vier Jahren Selbständigkeit, nur kurz unterbrochen durch die Geburt meines zweiten Kindes, kann ich eine Zwischenbilanz ziehen. Und ich kann sagen: Es geht mir, es geht uns gut. Ich habe das große Glück und Privileg, dass ich ein paar Talente habe, die mir nicht nur unglaublich viel Freude machen, sondern mit denen ich auch Geld verdienen kann. Nicht die Welt, reich werde ich damit nicht, aber es ist okay. Ich arbeite gerne, deswegen macht es mir auch nichts aus, fast jeden Abend vor dem Rechner zu sitzen und fast an jedem Wochenende für meinen Job unterwegs zu sein. Das mit den Arbeitszeiten eines angestellten Manns zu vereinbaren und trotzdem noch genügend Zeit zu viert zu haben, ist eine Kunst, aber es klappt meistens ganz gut. Ich bin froh, dass ich mir meine Zeit selbst einteilen kann und dass es meistens egal ist, ob ich morgens um 9 oder erst um 10 mit dem Arbeiten anfange. Oder auch mal gar nicht, wenn ein Kind krank ist oder Ferien hat. Der Preis dafür sind viele Nachtschichten. Aber das ist okay für mich, ich bin ein Nachtmensch.

Und jetzt mal zu einer Sache, die irgendwie nie gesagt wird. Vielleicht geht’s ja auch nur mir so? Ich bin ganz froh, dass ich Job und Familie vereinbaren und ergo nicht die Ernährerin der Familie sein kann und muss. Ich bin auch ganz froh, dass ich meine Karriere nicht mehr im landläufigen Sinne der Leistungsgesellschaft weiterführen muss. Ich kann ja nicht, weil ich Kinder habe, die ich nicht den ganzen Tag betreuen lassen will. Ich verdiene einen ordentlichen Teil zu unserem Haushaltseinkommen hinzu, was hier in München auch nötig ist, zumindest, wenn man sich ab und zu auch mal einen Urlaub leisten will. Aber ansonsten ist der Druck raus. Offen gestanden wollte ich diese „Karriere“ auch vor den Kindern nie so wirklich. Ich bin da so reingerutscht und das gute Geld, was ich mit der Zeit verdiente, fand ich schon toll. Deswegen habe ich weitergemacht. Aber ich habe mich manchmal schon im Stillen gefragt: Wohin soll das führen? Will ich wirklich nach oben, weiter nach oben? Was, wenn ich irgendwann aus irgendeinem Grund abstürze, und sei es nur, weil ich irgendwann zu alt für diesen Job bin? Die Fallhöhe wurde immer größer, je weiter ich kam. Und deswegen bin ich dankbar dafür, dass meine Kinder der Grund für meinen Aus- und Abstieg waren. Sie sind nämlich ein super Fallschirm, finanziell, psychologisch und sozial. Wer Kinder hat, muss keine Karriere mehr machen, wenn er (sie) nicht will.

Mein Mann, könnte man meinen, hat bei uns die A-Karte gezogen und muss den Haupternährer geben, egal, ob er das will oder nicht. Dem ist nicht ganz so. Er hat bei beiden Kindern Elternzeit genommen, einmal sechs Monate, einmal zwei. Und wenn es in seinem Job möglich wäre, würde er gerne auf 30 Stunden reduzieren. Es ist aber nicht möglich, und deswegen sind seine realen 38,5 Stunden auch okay. Manchmal träumt er davon, etwas ganz anderes zu machen. Wenn es soweit ist, wird das auch irgendwie gehen, meine Unterstützung ist ihm sicher.

Kinder zu haben, kann also auch die Chance sein, so zu leben, wie man eigentlich möchte, und das mit gesellschaftlicher Achtung. Auch wenn man vorher vielleicht gar nicht wusste, dass dem so ist. Mag sein, dass ich mir alles so hindrehe, wie es sich für mich in Anbetracht der Umstände am besten anfühlt. Aber vielleicht ist das, wenn es denn so ist, gar nicht so falsch. Vielleicht ist es sogar der Schlüssel zur Zufriedenheit.